Henner Kätelhön, Druckwerkstätten Kätelhön
Auguste-Viktoria-Klinik Bad Oeynhausen, 30.1.99
über HORST RELLECKE

Jede gute Kunst hat soviel Gehalt an geistiger, spürbarer aber nicht messbarer Substanz, dass man immer wieder das Zwiegespräch mit den Bildern suchen muss, um den ganzen Gehalt an Signalen, Aspekten und Zusammenhängen zu entdecken. Ganz besonders wird dies im Werk von Horst Rellecke deutlich. Die Bilder entziehen sich in ihrem ganzen Volumen bei einer einmaligen, kurzen Betrachtung. Rellecke sagt: "Jedes Bild, alles was ich tue, muss von einer Idee geprägt sein. In etwas anderem Zusammenhang drückt Paul Wunderlich das so aus: "Wer seine Technik gefunden hat (oder einfach übernommen)und bei ihr bleibt, ist tot. Wer seine Technik vergisst und neues sucht, lebt. Für die Mehrzahl von Ihnen wird die Begegnung mit dem künstlerischen Werk Horst Relleckes, das gemessen an seinem Lebensalter schon sehr ungewöhnlich vielfältig und umfänglich ist, erstmalig sein. 1975 arbeitete Rellecke aufgrund eines Stipendiums für Druckgraphik der Aldegrever- Gesellschaft in unseren Werkstätten in Wamel. Die damals entstandenen menschlichen und fachlichen Beziehungen wurden immer enger und stabiler. 1985 dann zog Rellecke mit seiner Familie ganz nach Wamel. Wir stehen in einem ständigen und intensiven Austausch. So will ich versuchen, Ihnen meine Erkenntnisse und Überlegungen zu Relleckes Werk vorzutragen und zu verdeutlichen. Schon im Alter von 20 Jahren formt er den ihm ganz eigenen, unverwechselbaren Ausdruck seiner bildnerischen Mittel. Es ist nicht erkennbar, dass er sich an eine Stilform anlehnte. Er beginnt nicht eigentlich zögernd und noch unsicher wie viele Andere. Nein, seine Thematik ist formuliert und seine Malmittel gewinnen schnell, ohne Anleitung und äussere Hilfe an Stil und eigenständiger Ausrichtung. Rellecke ist total auf den Menschen und sein Tun, sein Verhalten und die faktischen Ergebnisse seines Geistes fixiert. Natur, Landschaft, Vegetation, Reaktion auf Natur, findet man bei diesem Künstler nicht. Menschen , Mythen und Maschinen. Knapper und gültiger kann man die Gedankenwelt Relleckes verbal nicht fassen. Wird der Mensch die Technik noch beherrschen und in einer ihm und der Natur zuträglichen Weise noch steuern können? Ist Technik schon in sich zum Mythos geworden? Schreit Technik ganz unaufhaltbar nach immer neuer Technik? Wer dient wem? Stehen wir am Anfang einer neuen Zeit mit besseren Chancen für die Menschheit oder stehen wir am Ende aller Zeit? Vieles bleibt bei vordergründiger Betrachtung der Bilder dieses Künstlers erstmal rätselhaft. Gerade das ist ihr Reiz. Erst langsam, bei sich häufig wiederholender Auseinandersetzung mit dem Werk oder einzelner Bilder öffnen sich neue Türen. Immer schwingt in der Kreativität dieses Künstlers Humor und auch Ironie mit. Seine Malweise ist von hoher handwerklicher Perfektion, bleibt aber nie im Handwerklichen stecken. Für Rellecke ist das handwerkliche Können, wo auch immer in seinem vielschichtigen Oevre, ausschliesslich Mittel zum Transport seiner Gedanken und seiner künstlerischen Kreativität. Parallel zu seiner Malerei und plastischen Arbeit hat Rellecke Architektur studiert und in Stuttgart promoviert, Er findet auch da seine ganz besondere Ausrichtung. Er untersucht die Kraftfelder, wo Architektur und Kunst sich nicht nur berühren oder ergänzen und Kunst nur ein Assessoire zur Architektur ist, sondern wo Architektur zu Kunst wird, wo Architektur Skulptur ist. Rellecke ist Maler, Skulpteur und Architekt. So ist die Reihenfolge richtig. Er ist kein Architekt, der auch malt. Wenn Rellecke Architektur macht, wird sie immer Skulptur sein. Sie muss also eine unmittelbare Ausdrucksform der bildenden Kunst sein. Mit dem Glaselefanten in Hamm für die erste Landesgartenschau in Nordrhein-Westfalen 1984 hat Rellecke ein überaus wichtiges Dokument seines Denkens geschaffen. Ein mutiges und erfolgreiches Beispiel. Wieder für eine Landesgartenschau, Oberhausen 1999, baut er zur Zeit den riesigen GartenDOM. Hatte der Glaselefant noch ca. 20.000 cbm umbauten Raumes hat dieses Bauwerk ca. 138.000 cbm. Baukosten 12,5 Millionen DM. Sollte Rellecke Ihnen heute etwas nervös vorkommen, hat das damit zu tun, daß am 26. Februar bereits die feierliche Eröffnung dessen stattfinden soll, was augenblicklich noch wie Rohbau aussieht. Wenn man ihn stilistisch einordnen will, könnte man eine Beziehung zu Merkmalen des Surrealismus aufdecken. Eine Teildefinition trifft unmittelbar zu. ...Das freie schöpferische Spiel als assoziierendes Mittel.... In Relleckes Werk tauchen immer wieder bestimmte Symbole auf: Der Elefant. Was treibt Rellecke so dauerhaft in die Nähe dieses Tieres? Bei einem mächtigen Körper ist dieser Dickhäuter zwar furchteinflössend, aber er ist freundlich und nicht aggressiv. Er ist das Glückssymbol für viele Völker. Die Pyramide, die Kugel, die Säule, der Kubus usw. Sie sind nicht nur architektonisch gemeint. Der Skarabäus. Die Flugmaschine aus den Anfangen bis zu futuristischer Version. Konsequent, folgerichtig führt uns Rellecke seine gezeichnete, gemalte und als Skulptur konstruierte Gedankenwelt vor. Ich spüre eine Philosophie, die sich nach Begrifflichkeit suchend und tastend, in Bildern und Skulpturen dokumentiert. In einer verführerischen Aesthetik sind Zuversicht, Hoffnung, Humor, aber auch Ängste und Zweifel eingebettet. Der Mensch als physisches Wesen, seine Psyche, empfindsam reagierend und sich unter bestimmten Zwängen verändernd, als Resultat auf die realen Wirkungen menschlichen Tuns, ausgedrückt in Technik, Kunst und Architektur. Rellecke hebt den Begriff 'Zeit', zeitlichen Ablauf, auf. Für ihn ist Geist eine zeitunabhängige Grösse.In seiner Radierung "Ramses und Leonardo bei der Überprüfung des 20. Jahrhunderts" wird dies deutlich. In den neueren Arbeiten ist eine drängende und gestaltende Phantasie noch stärker zum Durchbruch gekommen, aber die Bilder sind heiterer, positiver im Grundton geworden. Es gibt einen Fortschritt, es gibt Veränderung. Jedoch in den inneren lebens- und Verhaltensstrukturen des Menschen kaum. In einer bestimmten Weise ganz eigentümlich werden Verbindungen hergestellt, Überbrückungen: Ikaros - halb Vogel, halb Flugmaschine. Ein Flugzeug, angetrieben von einem Elefantenrüssel als Propeller. Metamorphosen der freien Kreativität, die uns einiges Kopfzerbrechen bereiten können - oder einfach Spaß an intellektuellen Verrücktheiten auslösen. Mir scheint ein Wort des Romanciers Martin Keller besonders gut auf Relleckes Werk zu passen: "Die Kunst hat mit der Realität nur eins gemein, dass sie selbst eine zu sein hat. Das ist ihre Freiheit." Besonders bemerkenswert ist allerdings, daß Rellecke eine über Jahre schon anhaltende ungeschwächte Folgerichtigkeit seiner Technik durchhält. Neue Gedanken knüpfen an bildlich bereits fixierte an. Visionen mischen sich mit real Vorgefundenem unseres momentanen Zustandes. Anorganisches, sehr Künstliches, tritt in Beziehung zu organisch Natürlichem. Es entsteht Spannung und Energie. Gehalten und zusammengeführt werden divergierende Einzelelemente, Symbole durch eine Grundform, sozusagen eine lockende, zu intensiverem Eintritt in das Bild verführende Ästhetik, die den Gehalt an Gedanken, häufig sehr unbequemen Wahrheiten und Visionen, vordergründig überlagert. Nie jedoch begibt sich Rellecke auf den unsicheren Boden von Allgemeinheiten. Intellektuelle Durchdringung im Sinne von Eindeutigkeit und Klarheit, häufig auch kühl, sind Wesenszüge seiner Arbeit, Rätselhaftes und nur individuell Deutbares bleibt Gott sei Dank noch genug.


 

 
Zebra-Lady 1972

 


Farbige Blasen 1973

 


Die Zwillingsburg 1976

 


"Der Naechste bitte" 1979

 


Der einsame Hüter der
Imagination 1980

 


Nicht für uns gebaut 1980

 


"New York" 1981

 


El Dorado M 250:1 1983

 


Metamorphosen 1988

 


Migräne(oder Kopfarbeiter) 1997

 


Regen bei Sonnenschein